von Horst von Bohlen
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1. März 2020
Vorwort Persönlichkeitsprofile sind in der Wirtschaft seit gut 40 Jahren beliebt. Leider sind diese Produkte sehr einseitig, denn sie bilden eine idealisierte Welt rund um die Persönlichkeit eines Menschen ab. Nur Positiv gibt es nicht. Eine kritische Betrachtung über eine durchwegs narzisstische Realitätsbildung. Wasch mich, aber mach mich nicht nass! In 30 Jahren Berufserfahrung lernt man eine Menge über Menschen im Arbeitsfeld. Als Führungskraft erst recht. Wenn man dazu auch noch sich intensiv mit Arbeits- und Betriebsorganisation beschäftigt, ein Teilgebiet der Arbeitspsychologie, dann weiß man wie komplex die Materie ist. Es gibt wohl kaum kompliziertere Modelle, die den Zusammenhang der Person im System „Arbeitsfeld“ zu beschreiben versuchen. Ich erinnere mich mit Grausen an die Pflichtlektüre „Arbeitspsychologie“ von Eberhard Ulich. Da ist es schon angenehmer sich mit den Zusammenhängen zwischen Arbeitszufriedenheit und Lebenszufriedenheit zu beschäftigen. Der Wirtschaft interessiert das herzlich wenig, es sei denn, sie kann daraus Profit schlagen. Das ist auch legitim und soll nicht in Frage gestellt werden. Demnach ist es verständlich, dass Persönlichkeitsmerkmale im Zusammenhang mit der zu erfüllenden Arbeitsrolle von Interesse sind. Welcher Typ ist für welche Aufgabe gut, welche Eigenschaften braucht es für bestimmte Aufgaben. Selbstverständlich müssen Tests diese Klassifizierung zuverlässig erfassen. Das DISC (G) Inventar Diese Methode wirbt weltweit mit der Aussage Persönlichkeitsprofile von MitarbeiterInnen für Unternehmen zur Steigerung der Performance klassifizieren zu können. Was ist DISC DISC ist eine der zahlreichen Typologien und beruht auf die Arbeit von William Moulton Marston, ein amerikanischer Psychologe, der hauptsächlich bei der Entwicklung des Lügendetektors eine große Rolle gespielt hat. Er selber hat nicht DISC entwickelt, sondern seine Arbeit über Typologien dienten als Vorlage für J. G. Geier, ebenfalls Psychologe und Unternehmer der 1979 maßgeblich den Test entwickelte. Es dauerte bis 2008, als Inscape Publishing die erste Version des aktuellen Online-Testsystems Everything DiSC publizierte. Die Validierung im Vergleich zu anerkanntem psychologischem Test wurde erst 2015 von Scullard & Baum im Verlag John Wiley & Sons publiziert. Diese stößt jedoch auf große Kritik, da methodisch nicht nach den gültigen Forschungskriterien vorgegangen wurde. Methodische Kritik Ein praktischer Nutzen dieser Art ist nach David Myers oder Hermann-Josef Fisseni nur möglich, wenn das zugrunde liegende Modell validiert wird. Dies ist im Falle des DISG-Modells nicht gegeben. Die Angaben zur Normierung (Eichung), Zuverlässigkeit (Reliabilität) und Gültigkeit (Validität) des DISG haben sich nach Cornelius König und Bernd Marcus als nicht stichhaltig erwiesen. Die Autoren kommen zu dem Schluss: Validierungen hinsichtlich berufsrelevanter Kriterien werden für keine der Versionen berichtet – empirische Belege für die Praxistauglichkeit fehlen ebenfalls. Inhaltliche Kritik Die gemessenen Ebenen repräsentieren nur ein Bruchteil der Persönlichkeitseigenschaften wieder. Diese idealisieren Teil-Konstrukte von Persönlichkeitseigenschaften und vermeiden dazugehörige, verbundene Charaktereigenschaften. Daher ist DISC aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in der Lage, praktische Handlungsempfehlungen für eine Personalentwicklung zu liefern. Die fehlende Validierung, die fehlende belegbare Evidenz werden nicht durch die vielen Evaluationen aus den populären Trainings und Coachings auf Persönlichkeitsentwicklungsunternehmen wettgemacht. Auch zum Einsatz als Reflexionshilfe fehlen empirische Belege. Solange solche Evidenz nicht vorliegt, kann der Test weder für Entwicklungs- noch für Auswahlzwecke empfohlen werden! Fazit Auch wenn die Popularität von DISC häufig in der Wirtschaft als Mess- und Steuerungsinstrument in der Personalentwicklung eingesetzt wird, sollte doch darüber nachgedacht werden, welche qualitative Aussagekraft diese Typologie im Stande ist zu liefern. Persönlichkeiten sind nicht überwiegend dominant, initiativ, stetig, oder gewissenhaft. Die benutzten Unterkategorien entsprechen nicht der tatsächlichen untersuchten und nachgewiesenen Eigenschaften des Menschen. Ganze Unternehmen auf derart wackligen Annahmen strategisch aufzusetzen, halte ich für äußerst bedenklich. Die Realität der Persönlichkeit ist nicht Grün, Rot, Blau und Gelb. Ganz besonders kritisch ist es, wenn sogar die Attribute in den einzelnen Unterkategorien nicht durch evidenzbasierte Untersuchungen den entsprechenden Feldern, also scheinbar willkürlich, zugeordnet wurden. DISC ist ein "wasch mich, aber mach mich nicht nass“ System. Es klingt positiv, lieb, vielversprechend, wertschätzend, mutmachend und scheint gut anzukommen. Es erfeut die Nutzer und die Probanten. Die Realität wie wir strukturiert sind, ist aber weit davon entfernt. __________________________________________________________ Meine Test Werte von heute für: DISC: 38% gewissenhaft (grün) und 13% initiativ (rot) oder auch 31% dominant (grün) und 13% stetig (blau) Eine Interpretation des Ergebnisses ist mir nicht möglich, da mir die Kenntnisse fehlen und über keine DISG Zertifizierung verfüge. Es gibt zwar online Interpretationen, die ich aber nicht verwenden möchte. Eine mögiche Alternative zu DISC und ein durchaus beliebter Test B5T / zur Durchführung und Nutzung muss eine Lizenz muss erworben werden. Link: hier . Diese ist relativ Preisgünstig, die Fragebögen müssen händisch ausgefüllt und ausgewertet werden. Eine Auswertungshilfe wird in Excel-Form mitgeliefert. Die Interpretation erfordert Fachwissen und Erfahrung. Daher sollte diese Aufgabe jemandem überlassen werden, der sich damit auskennt. B5T ist gut dokumentiert, Validität und Reliabilität sind nachgewiesen, Stichproben aufgeführt. Mit 72 Fragen ist der Test recht ökonomisch, die Testdauer wird mit 20-30 Minuten angesetzt. Der Test kann auch kostenlos online gemacht werden. Eine kommentierte Auswertung und Interpretation erfolgt unmittelbar. Achtung: die Interpretation ist nur eine erste Annäherung und darf nicht ohne Erlaubnis des Onlineportals gewerblich genutzt werden! Daher ist es ratsam eine Lizenz zu erwerben und die Interpretation geschulten Psychologen zu überlassen. Ergebnis -> umgesetzt auf Big Five Kategorien Neurotizismus: Sie neigen nicht zu übermäßiger Unruhe, Nervosität oder Ängstlichkeit und können mit Stress und Druck in der Regel gut umgehen. Extraversion: Sie sind sehr, kommunikativ, gesellig und unternehmungslustig. Offenheit: Sie sind außergewöhnlich offen und aufgeschlossen und interessieren sich sehr für Musik, Literatur oder Wissenschaft. Gewissenhaftigkeit: Sie sind ein durchschnittlich gewissenhafter und ordentlicher Mensch. Soziale Verträglichkeit: Und dabei sind Sie ein durchaus höflicher und diplomatischer Mensch. Ihre Rolle als Team-Player ist jedoch ausbaufähig. Zusätzliche Information über Grundbedürfnisse Ihre Grundbedürfnisse Bedürfnis nach Anerkennung: Sie sind wenig leistungsorientiert. Auch Anerkennung durch andere ist Ihnen weniger wichtig. Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe: Sicherheit und Planbarkeit sind für Sie Werte, an denen Sie sich durchaus orientieren. Bedürfnis nach Einfluss und Macht: Sie sind durchaus daran interessiert, wichtige Dinge im Leben mitzugestalten, sehnen sich dabei aber nicht unbedingt nach Macht und Einfluss. __________________________________________________________ Annerkannte Persönlichkeits-Testverfahren, die oft im Berufsfeld eingesetzt werden: FPI -R Freiburger Persönlichkeitsinventar Quelle NEO-PI r und BIP Quelle 16PF Quelle Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T) Quelle __________________________________________________________ Literatur Friedbert Gay: Persönliche Stärke ist kein Zufall – Das DISG-Persönlichkeitsprofil. 36. Auflage. 2007, ISBN 978-3-89749-352-0. Friedbert Gay: Das DISG-Persönlichkeits-Profil. 27. Auflage. Offenbach 2003, ISBN 3-923984-44-8. W. M. Marston: Emotions Of Normal People. London 1928. Lothar J. Seiwert, Friedbert Gay: Das neue 1x1 der Persönlichkeit. Gräfe & Unzer, 2004, ISBN 3-7742-6161-X. 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